Biografie,  Gastbeitrag

Profisport-Rente mit 35 – und dann?

ZEIT, SICH AUS DEM STAUB ZU MACHEN

Biografie

Andrea Petkovic war über 15 Jahre lang eine deutsche Profi-Tennisspielerin. In den erfolgreichsten Jahren konnte sie die Besten der Weltelite schlagen, wenngleich sie nie eines der ganz großen Turniere (Grand Slams) gewann, mit denen sich Tennisspielerinnen gewöhnlich in die Geschichtsbücher schreiben.

Die autobiographische Erzählung beschreibt die letzten Monate ihres Daseins als Profisportlerin. Sie lässt dabei tief in ihr Seelenleben blicken. Man bekommt einen Eindruck, wie es sich anfühlen muss, das aufzugeben, wofür man 15 Jahre lang gekämpft hat und fast alles im Leben geopfert hat. Dabei werden auch so manche Tabu-Themen aufgegriffen, welche in der Profisportwelt meist im Verborgenen bleiben. Die Kapitel sind chronologisch in 12 Monate aufgeteilt. Die letzten Monate beschreiben dann bereits die erste Zeit nach Karriereende.

Witzig und unterhaltsam erzählt sie von den abrupt geänderten Lebensumständen und Tagesabläufen (z. B. Ernährungs- oder Schlafgewohnheiten), denen sie sich endlich nicht mehr unterwerfen muss und sich nun fast gewaltsam gegen diese stellt. Aufgelockert wird der sonst stets chronologische Ablauf immer wieder mit Rückblicken auf ihre frühere Zeit als junge aufstrebende Spielerin.

Ich habe das Buch gelesen, da ich grundsätzlich Sport- und im Besonderen auch sehr Tennis-interessiert bin. Andrea Petkovic war mir aber auch abseits des Tenniscourts bereits als sehr unterhaltsamer Talkshowgast mit ihrem trockenem Humor bekannt.

Mit enormer Sprachgewalt gelingt es Andrea Petkovic, mich in ihre Gefühlswelt eintauchen zu lassen. Man merkt es der Autorin mit bosnischen Wurzeln an, dass sie nicht nur den Tennissport liebt, sondern auch ein besonderes Faible für die deutsche Sprache hat. In manchen Abschnitten sind nach meinem Geschmack die überschweifenden Ausformulierungen sogar etwas zu gewollt. Dennoch ist das Buch kurzweilig und man liest sich schnell von Kapitel zu Kapitel und somit durch die Monate.

Der Leser wird in diesem Buch nicht mit schnöden Tennisfakten gelangweilt. Die vielen privaten Stories werden gekonnt gespickt mit fachlichen Infos, wenn es eben der Erzählung dienlich ist. Mir gefiel der Blick hinter die Kulissen des auf Hochglanz polierten Profisport-Business und letztlich auf eine Frau, die sich 15 Jahre ihres Lebens, 365 Tage im Jahr und 24 Stunden am Tag nur einer einzigen Sache unterworfen hat, und man hautnah dabei sein darf, wie dieser vermeintlich einzige Lebenssinn wegzubrechen droht.

In den letzten Kapiteln plätschert das Buch mit einigen Anekdoten aus ihrem Freundeskreis aus. Hier konnte die Autorin meine Aufmerksamkeit nicht mehr so stark erreichen, wie im bisherigen Verlauf des Buches.

Ich kann grundsätzlich eine Leseempfehlung aussprechen und aufgrund des hohen literarischen Anspruchs auch nicht nur an eingefleischte Tennis- oder Petkovic-Fans. Eine gewisse Affinität für Sport im Allgemeinen ist aber wahrscheinlich angebracht, um Gefallen an dem Buch zu finden.

Zeit, sich aus dem Staub zu machen

Erscheinungsdatum: 07. März 20274

Autorin: Andrea Petkovic

Verlag: Verlag: Kiepenheuer und Wietsch (KiWi)

Seitenanzahl: 224 (gebundene Ausgabe)

EAN: 9783462312546

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